Insolvenzen in COVID-19-Zeiten

Wann greift das „COVID 19 Insolvenzaussetzungsgesetz“ (COVInsAG)
Auswirkungen auf die Unternehmenssanierung

Mit dem COVInsAG hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, Schuldnern, die Corona-bedingt in eine insolvenznahe Situation gekommen sind, vor der Insolvenz zu bewahren. Dies gilt erst einmal für alle Unternehmen, die unter bestimmten Voraussetzungen einer gesetzlichen Insolvenzantragspflicht unterliegen.

Entsprechende Antragspflichten folgen zwangsläufig aus

  • einer insolvenzrechtlichen Überschuldung (§19 InsO)
  • eingetretener Zahlungsunfähigkeit (§ 15a InsO)

Das COVInsAG regelt nun

  • eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit
  • die Abmilderung der Haftungsrisiken für Geschäftsleiter betroffener Unternehmen
  • die Einschränkung der Haftungs- und Anfechtungsgefahren für Kreditgeber und Gläubiger

I. Zahlungsunfähigkeit = Insolvenzantragspflicht

Die Verpflichtung bei Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, wird unter bestimmten Voraussetzungen (rückwirkend) vom 01.03.2020 vorläufig bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Konsequent hat diese Regelung dann auch befreiende Auswirkungen auf die insolvenzrechtliche Haftung der Gesellschaftsorgane (Geschäftsführer, Vorstände) von Unternehmen, Verein). Die Rechte der Gläubiger Insolvenzanträge gegen ein Unternehmen zu stellen, werden ebenfalls eingeschränkt.

Die Regel nach dem COVinsAG ist:
Zahlungsunfähigkeit führt nicht zwangsweise zur Verpflichtung einen Insolvenzantrag stellen zu müssen.

Einschränkung:
Diese Regel ist nicht anwendbar, d.h. es bleibt bei der Insolvenzantragspflicht, wegen Zahlungsunfähigkeit wenn
die Insolvenzreife schon vor der Krise gegeben war

  • die Insolvenzreife vorhersehbar auch ohne CORONA ein(ge)treten wird/wäre
    oder
  • keine Aussicht besteht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen

Vermutung = Beweiserleichterung für Schuldner:
„War das Unternehmen zum 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.“ (§ 1 Satz 3 COVInsAG)

Vermutung = Beweislastumkehr:
Diese Vermutungsregelung bedeutet, dass der Insolvenzverwalter beweisen müsste, dass die Zahlungsunfähigkeit nicht durch die Corona-Pandemie ausgelöst worden ist und eine Insolvenzantragspflicht bestanden hätte.

Achtung: Das liest sich leicht, ist es aber nicht.

Beispiel:
Vor dem 31.12.2019 war das Unternehmen wegen insolvenzrechtlicher Überschuldung (§ 19 InsO) insolvenzreif = Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages. Erst nach dem 31.12.2019 aber vor dem 01.03.2020 tritt dann auch die Zahlungsunfähigkeit ein.

Exkurs:
Überschuldung = Vermögen des Unternehmens reicht nicht aus, die bestehenden Schulden zurückzuzahlen = grundsätzlich ist Insolvenzantragspflicht zu prüfen. Bestätigt aber eine positive Fortführungsprognose eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Unternehmen fortgeführt werden kann ist trotz rechnerischer Überschuldung keine Insolvenzantragspflicht gegeben (§ 19 InsO).

Zurück zum Beispiel:
Die Insolvenzreife (rechnerische Überschuldung + negative (keine) Fortführungsprognose) lag bereits in 2019 vor. Es hätte also bereits in 2019 ein Insolvenzantrag gestellt werden müssen. Die Insolvenzreife ist mithin nicht durch die Corona-Pandemie bedingt, die Insolvenzantragspflicht ist nicht ausgesetzt. Es kommt nicht darauf an, dass das Unternehmen zum 31.12.2019 noch zahlungsfähig war.

War die Insolvenzreife wegen Überschuldung in 2019 nicht gegeben (positive Fortführungsprognose) und drohte dem Unternehmen zum 31.12.2019 lediglich die Zahlungsunfähigkeit, war also nicht bereits eingetreten, dann führt auch dieser Aspekt wohl nicht zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, jedenfalls nicht in Folge der Vermutungsregelung. Denn die entlastende Vermutungsregelung (§ 1 S. 3 COVinsAG) verlangt neben der Zahlungsfähigkeit zum 31.12.2019 „…und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.“

Diese Aussichten lassen sich bei nach dem 31.12.2019 aber vor dem 01.03.2020 eingetretener Zahlungsunfähigkeit wohl nicht begründen. Die Vermutung ist mithin widerlegt. Der Insolvenzverwalter muss nicht mehr beweisen, dass keine Aussichten bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Ergebnis:
Greift die Vermutungsregelung nicht bleibt der Schuldner beweispflichtig dafür, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach dem COVinsAG vorliegen.

Der Schuldner muss also beweisen (§ 1 S. 2 Alt. 1 COVinsAG) dass

  • die Insolvenzantragspflicht nicht schon vor der Corona – Krise bestand hat
  • die Insolvenzreife nicht (vorhersehbar) auch ohne Corona eingetreten wäre
    oder § 1 S. 2 Alt. 2 COVinsAG
  • dass Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen

Diese Beweisführung wird nur mit einem stichtagsbezogenen Liquiditätsstatus und einer nachhaltigen und rollierenden Liquiditätsplanung, zumindest in Anlehnung an den Wirtschaftsprüfer – Standard zur Beurteilung der Insolvenzreife (IDW S 11), gelingen können.

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