Insolvenzanfechtung vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung bei kongruenter Deckung – § 133 InsO

§ 133 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) eröffnet dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Rechtshandlungen des insolventen Unternehmens / Unternehmers (nachfolgend: Schuldner) aus den letzten 4 Jahren vor dem Zeitpunkt des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzufechten.

Insolvenzanfechtung

Mit diesem Instrument verfolgt der Insolvenzverwalter das Ziel, Vermögenswerte, insbesondere Geld, die ein Gläubiger des Schuldners in dem 4-Jahreszeitraum erhalten hat, für die Insolvenzmasse zurückzufordern (§ 143 Abs. 1, Satz 1 InsO)

Kongruente Deckung

Eine kongruente Deckung liegt vor, wenn die Rechtshandlung des Schuldners dem begünstigten Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt, die dieser genauso in der gewährten Form und zum gegebenen Zeitpunkt (nach den vertraglichen Vereinbarungen) beanspruchen durfte.

Voraussetzungen für erfolgreiche Anfechtung im Rahmen des § 133 InsO
die Kenntnis des Schuldners von seiner Zahlungsunfähigkeit
der Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger benachteiligen zu wollen
(Benachteiligungsvorsatz)
die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit und
von dem Benachteiligungsvorsatz

Diese Kenntnisse werden vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(§ 133 Abs. 1, Satz 2; Abs. 3, Satz 1 InsO)

BGH beurteilt folgenden Sachverhalt:
Eine Bank hatte bei einem Darlehensnehmer Darlehensraten für 2 Monate bei insgesamt vier Abbuchungsversuchen nicht einziehen können.
Die Bank hatte daraufhin das Darlehen gekündigt und die volle Darlehenssumme fällig gestellt. Nach der Kündigung hatte die Bank dann, auf Bitte des Darlehensnehmers (späterer Schuldner), mit diesem eine neue Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Die vereinbarten Raten hatte der Darlehensnehmer bis zur Insolvenzeröffnung auch bezahlt.

Die Bank war nicht Hausbank des Schuldners.

Der Insolvenzverwalter hat die gezahlten Raten zurück gefordert.

Doch wann wird einem Gläubiger (hier der Bank) das Wissen
um die Zahlungsunfähigkeit“ des Schuldners und darum, dass die, die Bank begünstigenden Leistungen des Schuldners andere Gläubiger benachteiligen?
zugerechnet?

1. Frage:
Wann hat der Schuldner den erforderlichen Benachteiligungsvorsatz?
„Weiß der Schuldner, dass er zahlungsunfähig ist, weiß er regelmäßig auch, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen“

Reicht das für den Benachteiligungsvorsatz?

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit lediglich starkes Indiz für den Benachteiligungsvorsatz, beweist diesen aber nicht. Es wird immer auf die Gesamtumstände im Einzelfall ankommen. Diese hat ein Gericht aufzuklären. Erst wenn ein Benachteiligungsvorsatz festgestellt ist, ist der Zugang zu der

2. Frage eröffnet,
ob der begünstigte Gläubiger diesen Benachteiligungsvorsatz kannte bzw. ihm diese Kenntnis zuzurechnen ist?

Nun greift § 133 Abs. 3, Satz 2 InsO
„Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen … wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
nicht kannte.“

Vermutungstatbestand
ist der Abschluss einer Zahlungsvereinbarung oder …, (kongruente Deckung)

Vermutungsfolge
ist die Nichtkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der angefochtenen Handlung. Damit wäre eine Insolvenzanfechtung erst einmal nicht erfolgreich.

Widerlegung der Vermutung = Erfolg der Anfechtung
Der Insolvenzverwalter muss diese Vermutung widerlegen, wobei er sich nicht auf die Umstände berufen kann, die zu der Vermutung führen, nämlich

  • Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzug
  • Bitte des Schuldners um den Abschluss einer neuen Zahlungsvereinbarung

Selbst wenn aber ein Gericht als Ergebnis einer Einzelfallprüfung von der Kenntnis des Gläubigers, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist, ausgehen darf, wäre damit noch nicht bewiesen, dass der Gläubiger auch Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners hatte.

Zwar indiziert das Vorliegen der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit regelmäßig auch die Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz. Dies gilt aber nur dann, wenn dem Anfechtungsgegner nachgewiesen werden kann, dass er wusste, dass es noch andere Gläubiger gibt, deren Forderungen vom Schuldner nicht vollständig bedient werden.

Dazu hat der BGH festgestellt:

„Eine unternehmerische Tätigkeit des Schuldners rechtfertigt den Schluss auf eine Kenntnis des Anfechtungsgegners von anderen, durch die angefochtene Rechtshandlung benachteiligten Gläubigern nur dann, wenn der Anfechtungsgegner von dieser Tätigkeit weiß“ (BGH Urteil von 07.05.2020 – IX ZR 18/19)

Fazit:

Lieferanten, Zulieferer wissen immer um die unternehmerische Tätigkeit eines Schuldners. Dessen unternehmerische Tätigkeit ist ja gerade Grundlage ihrer Geschäftsbeziehung. Gleiches gilt für Hausbanken. Alle anderen Gläubiger, deren Beziehungen zu dem Schuldner nicht ursächlich auf dessen unternehmerischer Tätigkeit aufbauen, können sich auf die Vermutung der Nichtkenntnis berufen. Der Insolvenzverwalter muss diese Vermutung dann widerlegen.

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