Auswirkungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Im ersten Teil „Wann greift das „COVID 19 Insolvenzaussetzungsgesetz“ (COVInsAG)“  habe ich die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dargestellt. In diesem Teil möchte ich die Auswirkungen einer solchen Aussetzung erläutern.

II. Folgen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (§ 2 COVInsAG)

Die Folgen der Aussetzung sind in § 2 COVInsAG dargestellt. Geregelt hat der Gesetzgeber die

  • Abmilderung der Haftungsrisiken für Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte (Organhaftung)
  • Einschränkung der Haftungs- und Anfechtungsgefahren für Kreditgeber und Gläubiger
1. Organhaftung

Die Organe von Kapitalgesellschaften (GmbH-Geschäftsführer, Vorstände von Aktiengesellschaften) haften grundsätzlich auch persönlich, wenn die Unternehmen, trotz Insolvenzreife, Zahlungen leisten. Das gilt auch für Aufsichtsräte. Eine entsprechende Haftung ist für Gesellschaften normiert, bei denen die Geschäftsführung nicht in den Händen natürlicher Personen liegt (z. B. GmbH & Co. KG) und für Genossenschaften.

Diese persönlichen Haftungen werden nach dem COVinsAG eliminiert wenn Zahlungen insbesondere

  • zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder
  • zur Umsetzung eines Sanierungskonzeptes

erfolgt sind.

Die Organe haften dann nicht persönlich, mit ihrem eigenen Vermögen, gegenüber der Insolvenzmasse.

Achtung: Bei Zahlungen auf Altverbindlichkeiten könnte es fraglich sein, ob diese dem Geschäftsbetrieb oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen = haftungsbefreiend bleiben? Das wird im jeweiligen Einzelfall zu prüfen sein und kann nicht pauschal beantwortet werden.

2. Privilegierung von Darlehen

Werden dem Unternehmen im Aussetzungszeitraum (01.03. – 30.09.2020) neue Darlehen gewährt und / oder für solche Darlehen neue Sicherheiten bestellt, so sind Leistungen darauf bis zum 30.09.2023 nicht der Gefahr ausgesetzt, als „gläubigerbenachteiligend“ qualifiziert zu werden. Eine insolvenzrechtliche Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung ist also ausgeschlossen. (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG)

Diese Bestimmung gilt auch für Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen.

Ergänzt wird diese Bestimmung um eine Freistellung von Haftungsrisiken von Kreditgebern. Neukredite werden nicht als Unterstützung zur Insolvenzverschleppungen angesehen.

(§ 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG)

Kreditgeber müssen also nicht befürchten, wegen sittenwidriger Schädigung durch Beihilfe zur Insolvenzverschleppung (§ 826 BGB) in Haftung genommen zu werden.

3. Kongruente Deckungen

Sicherheiten für oder Zahlungen an Dritte werden dann als „kongruente Deckung“ bezeichnet, wenn diese in der Art und für die Zeitpunkte zu denen sie erbracht werden, vertraglich vereinbart waren. Derartige kongruente Leistungen können in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht angefochten werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG)

Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass Geschäftsbeziehungen zu einem Schuldner abgebrochen werden, weil dieser die (vor dem 01.03.2020) vereinbarten Leistungen nicht erbringt.

Beispiel: Zahlungen von vertraglich vereinbarten Darlehensraten/-zinsen auf vor dem 01. März 2020 vereinbarte Darlehen.
Dabei ist es unschädlich, dass der Empfänger weiß, dass das leistende Unternehmen insolvenzreif ist.

Jedoch: Ist dem anderen Teil darüber hinaus bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit überhaupt nicht geeignet sind,dann wird ein Insolvenzverwalter diese Leistungen anfechten dürfen und es auch tun.D. h., er wird die Leistungen von dem Empfänger zurückfordern. (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG)

Der Wortlaut des Gesetzes erscheint eindeutig „bekannt war“.

Wann dieses „bekannt war“ anzunehmen ist, erläutert das Gesetz nicht, im Gegensatz zu anderen Vorschriften der Insolvenzordnung (z. B. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Es muss davon ausgegangen werden, dass die Unanfechtbarkeit empfangener Leistungen überhaupt nur dann wird erreicht werden können, wenn der andere Teil zumindest Einblick in das Konzept der Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldnerunternehmens gehabt hat. (Mindestvoraussetzung)

Drängt sich die Ungeeignetheit dieses Konzepts dann nicht zwingend auf, wird ein späterer Insolvenzverwalter die Kenntnis dieser zwingenden Schlussfolgerung zu beweisen haben.

In Anlehnung an die Bestimmung gem. § 130 Abs. 2 InsO dürfte die Bestimmung wie folgt zu lesen sein:

  • Der Kenntnis der Ungeeignetheit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Ungeeignetheit schließen lassen.

III. Gläubigeranträge zur Insolvenzeröffnung:

Stellen Gläubiger zwischen dem 28. März 2020 und dem 28. Juni 2020 Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass der Eröffnungsgrund bereits am 1. März 2020 vorlag.“ (§ 3 COVinsAG) Diese Bestimmung gilt auch gegenüber Krankenkassen, Finanzbehörden.

War am 01. März 2020 kein Eröffnungsgrund gegeben, sind Eröffnungsanträge von dem Insolvenzgericht als unzulässig, zurückzuweisen. Die antragstellenden Gläubiger werden also das Vorliegen von Insolvenzeröffnungsgründen zum 01. März 2020 zumindest schlüssig darzulegen haben. Gelingt das, wird das Insolvenzgericht einen Sachverständigen u. a. damit beauftragen, zu prüfen, ob am 1. März 2020 tatsächlich ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren gegeben war. Das betroffene Unternehmen ist grundsätzlich befugt den Gegenbeweis zu führen.

Ergebnis: Der Gesetzgeber hat insgesamt Sicherheit auch für Kreditgeber und damit Spielraum für notwendige Fremdfinanzierung / Gesellschafterfinanzierungen von Unternehmen geschaffen.

Die Verantwortungen der Geschäftsleiter, Sanierungskonzepte, laufende Liquiditätsplanungen, Fortführungsprognosen zu erstellen, zu überwachen und im Bedarfsfall fortzuschreiben sind nicht eingeschränkt. Sie sind vielmehr der Schlüssel zur Vermeidung eines Corona bedingten Insolvenzverfahrens.

Soll einem Gläubigerantrag erfolgreich begegnet werden, ist dieses nur während der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen erfolgversprechend. Liegt das Gutachten erst vor und bestätigt die Zulässigkeit einer Insolvenzeröffnung, wird es dem Schuldnerunternehmen kaum gelingen, das Insolvenzgericht von dem Gegenteil zu überzeugen.

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